Stehen Sie vor der Hausnummer 4? Auf der Straßenseite gegenüber sehen Sie eine Kindertagesstätte. Das historische Foto im Guide zeigt dasselbe Gebäude aus einer etwas anderen Perspektive, noch ohne den weißen Vorbau.
Vielleicht erkennen Sie auf dem Foto die Person, die vor dem Gebäude am Rednerpult steht: Es ist der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter. Am 14. April 1953 begrüßte er die Gäste zur feierlichen Eröffnung des Bundesnotaufnahmelagers. Auch Bundespräsident Theodor Heuss war anwesend, er hielt die Eröffnungsrede.
Dass hier viele bekannte Politiker zusammenkamen und die Medien intensiv über das Ereignis berichteten, vermittelte eine wichtige Botschaft: Das Notaufnahmelager diente nicht allein der Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten. Es war auch eine Bühne für die westdeutsche Politik. Hier wurde die deutsch-deutsche Fluchtbewegung in einen weltpolitischen Zusammenhang gerückt. Die Fluchten aus der DDR galten als „Abstimmung mit den Füßen“: gegen die dortige sozialistische Diktatur und für die westliche Demokratie.
Als „Tor zur Freiheit“ fand das Notaufnahmelager in der West-Berliner und bundesdeutschen Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit. Als der Mauerbau 1961 die massenhafte Abwanderung beendete, verlor es diese Bedeutung. Ohne die dramatischen Bilder von Überfüllung und menschlichen Schicksalen eignete es sich nicht mehr als Symbol der Teilung. Im Brennpunkt des Interesses stand fortan die Berliner Mauer.